Hannes Brandl entdeckte unser Projekt letzten Herbst auf Twitter – und flog anschließend einige Male aus Österreich zu uns, um in den Impuls-Workshops engagiert mitzuarbeiten. Hannes Brandl ist studierter Informatiker und arbeitete als Systems Engineer, bevor er eher zufällig zum Projektmanagement kam. Nachdem er viele Jahre in der internationalen Unternehmensberatung als Projektmanager und Berater tätig war, machte er sich 2007 selbstständig. Heute berät, coacht und trainiert er unterschiedliche Kunden mit dem Fokus Projekt-, Programm- und Teammanagement. Außerdem legt er als externer Manager auch selbst Hand an, um für Kunden Projekte und Programme zu leiten und Turnaround-Projekte aus der Schieflage zu führen.

1. Turnarounds müssen nicht gelingen, aber was sind die wichtigsten äußeren Voraussetzungen, damit sie gelingen können?

Essentiell für einen erfolgreichen Turnaround sind das Commitment und die Unterstützung durch den Projektauftraggeber und den Projektlenkungsausschuss. Wenn das nicht der Fall ist, spüren das alle Projektbeteiligten, und die notwendigen Rahmenbedingungen und Anstrengungen für den Turnaround sind dann nicht mehr ausreichend gegeben. Das Top-Management muss bereit sein, sehr schnell wichtige Entscheidungen für einen erfolgreichen Turnaround zu treffen. Dies gilt natürlich auch für das Projektteam. Wenn das nicht der Fall ist, spricht man in der Theorie zur Krisenbewältigung vom fortlaufenden Vernichten von Handlungsoptionen durch zu langes Warten. Bei einer externen Auftragsabwicklung ist auch wesentlich, dass der Kunde Verständnis für den Turnaround zeigt und das nötige Vertrauen in die Projektleitung und das Projektteam hat. Einige meiner erfolgreichen Turnarounds waren überhaupt nur möglich, weil das nötige Vertrauensverhältnis mit dem Kunden bestand.

2. Welches sind persönliche Voraussetzungen und erforderliche Einstellungen des Turnaround Managers, damit er erfolgreich sein kann?

Ein TurnAround Manager sollte wenn möglich belastbar, stressresistent und ausdauernd sein. Ein hoher persönlicher Einsatz, große Eigenmotivation und eine ganzheitliche und nachhaltige Denkweise sind wesentliche persönliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Turnaround Manager. Soziale Kompetenzen in Form von zwischenmenschlichen und kommunikativen Fähigkeiten, die ein rasches und präzises Einfühlen in das Kundensystem ermöglichen, unterstreichen diese Anforderungen. Ganz wichtig ist auch eine konstruktive, positive und realistische Einstellung. In manchen Situationen ist es besser, das Projekt abzubrechen und neu zu starten, als krampfhaft am Alten festzuhalten. Besonders wichtig ist auch, das große Bild nicht aus den Augen zu verlieren, weil anspruchsvolle, komplexe und kritische Projekte es unbedingt erfordern, die großen Zusammenhänge und die Vielfalt der Interessengruppen zu verstehen. Kritische Projektsituationen verlangen, dass wichtige Entscheidungen unter großem Zeitdruck zu treffen sind – kluges und rasches Handeln ist dann angesagt.

3. Was war eine besonders kritische Turnaround-Situation für dich?

In meiner Anfangszeit als Projektmanager habe ich einige Fettnäpfchen und Tretminen besucht, die mich des Öfteren direkt in Turnaround-Situationen geführt haben. Diese konnte ich dann meist nur durch persönlichen Einsatz und Ausdauer bewältigen. Insbesondere die Zusammenarbeit mit großen IT-Firmen und Industrieunternehmen ist eine Herausforderung. Diese Unternehmen haben oft eine intransparente Unternehmenskultur unter dem Motto „Bei uns gibt es nur grüne Ampeln und alles OK“. Erst wenn der Hut brennt, verlassen sie gezwungenermaßen ihre Deckung. Diese nicht offene Kultur ist oft gepaart mit einem ausgeklügelten Claim Management. Hier unterstützen wir unsere Kunden, alle Beistellpflichten wie geplant zu erfüllen, um nur keine Angriffsflächen zu bieten. Bei einem aktuellen, sehr großen Infrastrukturprogramm arbeite ich wieder mit einem Industriepartner zusammen, der vor rund 15 Jahren immer wieder Turnaround-Situationen ausgelöst hat. Fazit: Es hat sich seitdem in der Zusammenarbeit mit diesem Industriepartner nicht viel verändert, d. h. die Kultur hat sich nicht weiterentwickelt und stellt sich so wie damals dar. Irgendwie erschreckend, aber man weiß zumindest, woran man ist. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig, um dann auch Turnaround-Situationen drehen zu können, d. h. herauszufinden, welche Parameter kann ich verändern und welche nicht, in welchem Rahmen kann ich meine realistischen Lösungen aufbauen und durchführen, wo muss ich ansetzen. Insbesondere treten bei großen, komplexen und anspruchsvollen Projekten immer wieder Turnaround-Situationen auf. Die Implementierung eines Systems zur Früherkennung ist hier wesentlich. Vor einigen Jahren leitete ich ein umfangreiches IT-Projekt, wo ich ein IT-System vor einem Großereignis in Betrieb nehmen musste – der Inbetriebnahmetermin war nicht verschiebbar. In 4 Monaten wurden alleine im IT-Bereich mehrere tausend Personentage an Leistungen erbracht. Zum Glück saßen die meisten IT-Entwickler und -Tester in einem Gebäude, so war es möglich, täglich eine aktuelle Stimmungslage (Frühindikator) der einzelnen Entwicklungsteams einzuholen, um gegebenenfalls rasch einzelne Turnaround-Situationen zu bearbeiten.

4. Wie wichtig sind Tools?

Werkzeuge, Instrumente und Tools können nur eine unterstützende Funktion einnehmen. Der Einsatz einer Projektmanagement-Software oder anderer IT-Tools wird kein Projekt aus der Krise führen. Bei jedem Tool ist die Sinnhaftigkeit des Einsatzes zu hinterfragen. Als Informatiker bin ich IT-Tools zugetan und muss mich immer selbst bremsen, zu viel Zeit darauf zu verwenden, die perfekten IT-Tools aus der Sicht des Ingenieurs für ein Projekt zu finden. Wichtig ist hier der Nutzen und nicht die Anzahl der Produkt-Features. Unter dem Motto „Ein Esel bleibt ein Esel, auch wenn er die besten (automatisierten) Tools anwendet“ ist die sinnvolle Anwendung von Tools ein zentrales Thema. Bei meinen Projektmanagement-Seminaren, die ich als Trainer leite, benötigen die Teilnehmer nur Papier und Stifte, um die Projektmanagement-Methoden und -Werkzeuge zu trainieren. Dieser Schritt ist wichtig, es macht keinen Sinn, sich gleich auf ein IT-Tool zu stürzen, um dann möglicherweise eine nicht passende Projektstruktur in das IT-Tool einzugeben. Seit einigen Monaten setzen wir jetzt auch in unseren Projekten, Programmen und Trainings den Project Square sehr erfolgreich ein. Der Project Square ermöglicht die einfache und verständliche Visualisierung eines Projekts, in jeder Projektphase und zu jedem Zeitpunkt. Mit Hilfe des Project Squares werden Wechselwirkungen ganz einfach erkennbar und Schwachstellen bzw. Stärken eines Projekts aufgezeigt – das ist sehr hilfreich für die Bewältigung von TurnAround-Situationen.

5. Kann man Turnaround lernen?

Ja, Turnaround kann man prinzipiell lernen, aber nicht in Seminaren (Stichwort: Wissen) sondern in der Praxis (Stichwort: Können). Man wächst mit der Aufgabe, d. h. jede gemeisterte Turnaround-Situation bringt einem mehr Erfahrung und Einblick. Gerade zu Beginn einer Projektmanagement-Laufbahn sind der Umgang und die Bewältigung von Turnaround-Situationen ein sehr steiniger Weg. Viele Jahre später sieht man das schon wesentlich entspannter – und Probleme, die einen früher sehr beschäftigt haben, sind heute kein Thema mehr. Wichtig für die Bewältigung von Krisensituationen sind auch eine positive Einstellung und eine konstruktive Geisteshaltung, die von der jeweiligen persönlichen Entwicklungsstufe des Turnaround-Managers abhängen.

Lieber Hannes Brandl, wir danken dir sehr für das Gespräch!